Sonntag, 12. Juni 2016

Der Traum vom Strandritt

Seit ich denken kann - und einigermassen reiten - träumte ich immer vom Galopp am Strand. Das geht vielen Reitern so. Warum eigentlich - und wie habe ich mir diesen Traum erfüllt? Reiten ist auch immer ein Stück Freiheit und Naturerlebnis. Das Meer steht ebenfalls für Freiheit und ist für viele einer der schönsten "Draußen"-Orte. Da ich immer schon eher der Meer statt Berge-Typ war, erschien mir die Kombi aus Strand und Pferden daher wie der Himmel auf Erden. Platz ohne Ende, Wellenrauschen, auf einem Pferd dahinfliegen. Während andere Reiter von Turnierschleifen träumten, war mein Ziel schon als kleines Reitermädchen der Galopp am Strand. Ich habe dann als Kind reiten gelernt und durfte in den Familienferien in Holland auch immer Stunden auf dem Ponyhof nehmen. Dort wurden auch Strandritte angeboten, und ich sollte mitdürfen. Leider haben ich, meine Eltern und auch die Hof-Betreuer wohl meine Fähigkeiten überschätzt. Denn auch wenn es ein Anfänger-Ritt sein sollte und die Pferdchen wohl sehr brav waren, scheiterte ich. Ich bekam das Pony nicht vorwärts, es fing an zu fressen am Wegesrand, ich blieb hinter der Gruppe zurück. Schließlich kam jemand vom Hof und führte mich zurück. Ich war traurig und schämte mich ein bisschen - und mein Traum vom Strandritt war geplatzt.

Irgendwie hat mich das wohl doch nachhaltig erschüttert, und ich habe sehr lang gebraucht, bis ich mich dem Thema wieder näherte. Heute kann ich darüber lachen, wenn ich daran denke, wie klein ich damals war und wo ich heute weiß, wie stur Ponys sein können und mehr dazu gehört als drauf sitzen. Nach einer langen Reitpause zwischen dem 14. und 20. Lebensjahr fing ich dann während des Studiums wieder an zu reiten, in und um Leipzig. Dort war das Meer natürlich weit weg, aber immerhin lernte ich in dieser Zeit auch durch verschiedene Pferde, mich durchzusetzen und ohne Angst im Gelände unterwegs zu sein.
Erfüllt habe ich mir den Traum vom Strandritt dann, wie könnte es anders sein, auf meiner Lieblingsinsel Sylt. Leider weiss ich gar nicht mehr genau, wann das war - erst vor ca. 6-7 Jahren. Ich hatte mich beim Reitstall Wiesengrund angemeldet und es ging mit einer Gruppe raus. Leider kam es am Strand zu einem Sturz, weil eine Reiterin nicht mit ihrem Pferd klar kam. Und statt Galopp gab es eine unruhige Warterei im Sand, bis der Krankenwagen kam. Ein, zwei Jahre später war ich dann nochmal dort - und endlich gab es den erhofften Galopp. Es war ein echtes Glücksgefühl, was mich durchströmte.
Leider unscharf - aber endlich...Sylt 2009
 Inzwischen war ich das 4. Mal dort reiten am Strand, zuletzt vor ein paar Wochen. Da wurde 2x galoppiert, sehr gemäßigt und schön hintereinander. Die Pferde sind brav und machen ihren Job gut, daher kann ich es empfehlen. Für mich ist es immer ein tolles Extra, welches ich mir gönne, wenn ich mal auf "meiner" Insel bin. Allerdings ist es auch recht teuer, der 2 Stunden Ritt, von dem man aber nur ca. 45 min am Strand ist, kostet inzwischen 50 Euro.
 
 Ein weiterer Sylter Reitstall, Hoffmann in Keitum, bietet auch Ausritte an, allerdings auf der Wattseite. Habe ich auch schon einmal gemacht, und auch das hat was, über den federnden Wattboden zu flitzen, aber da fehlt eben das Wellenrauschen.
Doch Strandritt ist nicht gleich Strandritt. Und ja, es macht süchtig. Highlight war in dieser Hinsicht der Trail in der Dominikanischen Republik im letzten Jahr. Trotz nicht idealer Voraussetzungen - zu hoher Wasserstand, zu tiefer Sand - sind wir dort soooo viel entlang des Meeres und unter Palmen geritten, dass man denken könnte, es sei langweilig gewesen. War es aber nie. Im Schritt durchs Wasser stapfen, merken, wie das Pferd sich gegen die Wellen stemmt, im Galopp an der Wasserkante entlang sausen, allein oder in der Gruppe, und dann auch noch im Bikini ohne Sattel reiten - es war ein Traum.
Meine jüngste Strandritt-Erfahrung stammt aus Polen. Und ich kann nur sagen: Das fetzt. Dort sind Strandritte sicher kein Touri-Vergnügen, wie es z.B auch gern in südlichen Ländern angeboten wird (was ich bisher aber noch nicht gemacht habe, weil ich da den Haltungsbedingungen der Pferde kritisch gegenüberstehe - zudem mache ich ja kaum solche Strandurlaube in diesen Ländern). Ich hatte schon gehört, dass die Polen schnell reiten, aber soooo schnell.... Ich bin in zwei Ställen geritten, einmal bei Leba und einmal in Bialogora. Jedes Mal allein mit "Guide". Das Preis-Leistungs-Verhältnis war jedenfalls top, Polen ist günstig. Der erste Ritt bei Leba (Homepage nur auf Polnisch) war mit dem Hof-Chef persönlich, der dann seinen Hengst sattelte.
 
Ich bekam auch einen Schimmel, Rokita, und durch Kiefernwälder ging es an den ewig langen, menschenleeren Strand. Es wird ordentlich englisch geritten, aber ich hatte Mühe, Rokita an den Zügel zu bekommen. Der erste Galopp war schon schnell, aber ok. Beim zweiten sah ich nur noch, wie der Chef vor mir nochmal antrieb, sich sein Hengst flach machte -und los ging es. Selbst in der Mongolei sind wir nicht so schnell galoppiert. Es war Renngalopp, wirklich. Mir blieb fast das Herz stehen. Leider verlor ich auch irgendwann die Kontrolle und schoss am Chef vorbei. Durch einen Bogen in den tiefen Sand konnte ich Rokita wieder einfangen, aber mein Adrenalinpegel war mir nun zu hoch. Der Rückweg ging dann im Schritt durchs Wasser. Hier zahlte ich 200 Zloty für 2 Stunden, ca. 45 Euro. Am nächsten Morgen in Bialogora waren wir wieder zu zweit, Harnas, ein großer brauner Wielkopolski, sei ein "ruhiges" Pferd.
Dennoch: Auch er war kaum zu halten, musste Hände wirklich ruhig und sehr tief halten. Der Galopp war etwas gemäßigter, aber auch sehr schnell. Doch auch hier faszinierte der schier endlose Strand und der unberührte Küstenstreifen. Leider kam es dann am Ende doch noch zum Unfall: Kurz vorm Absteigen am Reitplatz ging Harnas wegen irgendwas los - ich wurde aus dem Sattel katapultiert und knallte runter. Nach dem ersten Schock und Luftnot ging es wieder - eine Prellung erinnert mich seitdem noch immer etwas daran. Hier zahlte ich für eine Stunde 60 Zloty, also nur ca. 15 Euro.
Aufgrund der temperamentvollen Pferde und einem Akku-Ausfall habe ich leider keine Strandfotos aus Polen, nur ein arg verwackeltes Video vom Ritt mit Rokita.
Trotz allem Adrenalin und dem Sturz waren diese Ritte ein Highlight - hier sollte man aber seine Fähigkeiten ehrlich einschätzen oder nach wirklich ruhigem Pferd fragen.
Das ist leider auch etwas, was man generell wissen sollte. Mit Strandritten lässt sich gut Geld verdienen. Man wird zwar überall gefragt, ob man reiten kann. Aber geprüft wird es weniger. Mehr als eine Runde Schritt auf dem Platz musst ich nie irgendwo "vorreiten". Gerade auf Sylt hatte ich schon sehr inhomogene Gruppen, was den Spaß durchaus schmälern kann. Auf der anderen Seite muss ich gestehen, dass ich in Polen mich offenbar auch überschätzt habe bzw an meine Grenzen gekommen bin. Trotzdem macht Strandreiten süchtig. Ich hoffe sehr, dass ich diesen Sommer noch dazu komme, auch mal den endlosen Strand von St. Peter Ording als Reiter auszuprobieren - das ist nicht weit von hier und wäre ein super Wochenendausflug.


2 Kommentare:

  1. Hallo Uta,

    was für ein herrlicher Bericht! Über den Strand zu galoppieren ist einfach irre! Ich habe auch jahrelang mit diesem Wunsch gelebt, bis dann 2014 meine Auszeit in Brasilien kam. Dort habe ich eine brasilianische Zucht ausfindig gemacht, die auch Ausritte anbietet. Wir (nur der Guide und ich) waren mit ihren brasilianischen Gangpferden unterwegs, den Mangalarga Marchadors und sind dort u. a. durch Flüsse und Wälder geritten und natürlich durfte der einsame Strand auch nicht fehlen. Im Nachhinein habe ich mich aber auch gefragt: was, wenn ich gar nicht richtig hätte reiten können? Gefragt haben sie jedenfalls nicht :D Wobei mich der Guide zumindest anfangs beobachtet hat und er mir auch das Kommando für die Marcha Picada zeigte. Was das Training der Tiere angeht, da bin ich auch skeptisch, da viele immer noch vom Gedanken her kommen, Pferde gewaltsam bestrafen zu müssen, wenn sie was nicht richtig gemacht haben. Leider ist das auch in Deutschland gang und gebe und überprüfen lässt es sich schlecht, wenn man nur kurz für einen Ausritt da ist und dann wieder geht. Zumindest hatte ich in Brasilien aber insofern ein gutes Bild von den Pferden, als dass sie gut und kräftig aussahen. Einen Strandgalopp habe ich seitdem nicht mehr gemacht, aber muss ich auch nicht zwingend wieder. Die Erinnerungen bleiben und es gibt auch so noch viele schöne Ecken zu entdecken. Wanderritte in Skandinavien würden mich ja mal reizen... #hach :)

    Liebe Grüße,
    Bianca von lebedraussen

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    1. Liebe Bianca, danke für deinen tollen Kommentar. Das klingt super, und ja, Gangpferde sind immer nochmal was Besonders. Haltung und Ausbildung sind sicher manchmal nicht so, wie es sein sollte. Aber bisher hatte ich immer das Gefühl, Ställe ausgesucht zu haben, wo alles ok war. Meist waren es auch deutsche Betreiber. Und Wanderritte machen süchtig. Derzeit bin ich am Überlegen, wo ich mich 2017 in den Sattel schwingen soll...

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