Mittwoch, 7. Oktober 2015

Citytrip Amsterdam: Schockverliebt in schiefe Häuser

Die schiefen Häuser

Das war nun wirklich mal Liebe auf den ersten (naja, eigentlich zweiten Blick, aber dazu gleich mehr). Das vergangene Wochenende habe ich in Amsterdam verbracht. Ich war beruflich in Holland und bin ohnehin über Amsterdam gefahren. Also einfach noch zwei Nächte drangehängt - stilecht auf einem Hostel-Boat, der "Amsterdam". Und es dauerte keine halbe Stunde, und ich war hin und weg. Es war mein vierter Städtetrip dieses Jahr, und ja, auch Wien, Stockholm und Kopenhagen waren toll. Aber irgendwie hat die Stadt mich sofort in ihren Bann gezogen. Dabei waren die Einstiegsbedingungen nicht so ideal: ich kam nach der Dienstreise schon relativ erschöpft an, rollerte vollbepackt mit Koffer und Tüten den Weg zum Boot (ca. 15 min vom Bahnhof), stand dort verschwitzt und ko am Check in und dann war die Freundin, die an dem Abend auch noch kommen wollte, im Stau verschollen und ich zog allein los. Immer mit Blick aufs Handy, ob sie sich meldet, ohne Plan, was ich nun, am frühen Freitagabend, eigentlich noch machen konnte, auf der Suche nach einem Geldautomaten, und mit der Tatsache vor Augen, dass es wohl bald dunkel wird. Naja, dann bin ich nach dem Geldabheben einfach nicht zurück zur Hauptstraße, sondern losgeschlendert in Richtung einer der berühmten Grachten. Und Bäääm, dann war es geschehen.


Ich war als Kind schon mal in Amsterdam, kann mich aber nur noch dunkel an eine Bootsfahrt erinnern und hatte damals sicher keinen Blick für Häuser und Architektur. Doch jetzt stand und lief ich staunend herum. Die geschwungenen Brücken, die sich über die Kanäle erheben, und rundherum die schmalen Häuser mit den unterschiedlichen Giebeln, die sich herrlich schief aneinanderlehnen oder nach vorne gebeugt sind - und die Erkenntnis, dass Amsterdam nicht nur aus einer kleinen, so hübsch erhaltenen Ecke besteht, sondern dass dieser Grachtengürtel wirklich die gesamte, nicht gerade kleine Altstadt ausmacht, es überall so toll aussieht und ich an jeder neuen Gracht am liebsten jedes einzelne Haus fotografiert hätte. An dem ersten Abend lief ich nur einen kleinen Teil ab, aber ich war hin und weg.
Nachts werden die Brücken beleuchtet
Nach der obligatorischen Grachtenrundfahrt am nächsten Morgen und der Gewissheit, dass es wirklich die ganze (Alt)Stadt ist, die so zauberhaft ist, hätte mir, auch dank des tollen goldenen Herbstwetters, es fast gereicht einfach nur herumzulaufen. Der äußere Grachtengürtel mit Prinsen-, Kaiser-, Herrengracht und Singel (und den Querverbindungen) ist neuer und "weiter" als im Stadtkern, wo die Kanäle "Burgwal" heißen.
Nein, das Bild ist nicht verzerrt. Die Häuser kippen wirklich nach vorn

Kein Vergleich etwa zur Speicherstadt meines Heimathafens Hamburg - die ich auch liebe und ja ähnlich ist, nur mit Lager- statt Wohnhäusern, aber eben nur aus letztlich zwei Gebäudereihen besteht. Natürlich haben wir noch anderes gemacht, aber mein Herz ging jedesmal wieder auf wenn wir wieder ein besonders schiefes Haus oder prächtige Giebel entdeckten oder wenn abends die hell erleuchteten Fenster (Amsterdamer haben offenbar kein Problem damit, auf Vorhänge zu verzichten) die Fronten wie wunderhübsche Riesen-Kerzen-Deko-Scherenschnitte wirken ließ.
Und selbst die leicht bekleideten Damen im Rotlichtviertel stehen in den Fenstern dieser niedlichen Giebelhäuser, was dem Ganzen eine leicht absurde und viel weniger schmuddelige Note verleiht. Auf der Rundfahrt haben wir dann auch erfahren, dass die Häuser sich - als Hamburger hat man es sich fast gedacht - deshalb aneinanderlehnen, weil die Stadt ja mühselig dem Wasser abgerungen wurde - mit Deichen und auf Pfählen erbaut auf sandigem Grund. Heute wird Beton für die Pfähle verwendet (auch der Hauptbahnhof steht auf Pfählen), da das Holz verrottete und die Häuser in Schieflage geraten und sich "aneinanderkuschelten".


Wenn sich eine Front nach vorne neigt, war das aber Absicht: So konnten Lasten besser am Seil (die Winden sind an fast allen Häusern zu sehen, da es innen zu eng war) außen emporgezogen werden, ohne an die Wand zu schlagen, zudem lief Wasser besser ab, Ruß setzte sich weniger ab. Dass die Häuser aus dem "Goldenen Zeitalter" (17. Jhd.) und sogar dem Mittelalter alle aus Stein sind, hatte einen schlimmen Grund: Feuersbrünste waren damals nicht selten, und da waren Holzhäuser viel gefährdeter, so dass irgendwann mit Stein gebaut werden musste.
Auch die Breite, oder hier eher "Schmalheit" der Häuser war Vorschrift bzw. Notwendigkeit. Je breiter das Haus, desto mehr Steuer kostete es, da es eben wenig Raum gab. Reiche Bürger bauten auf zwei Grundstücken, ansonsten haben die Häuser fast alle diesselbe Breite, wurden aber für die damalige Zeit ganz schön in die Höhe gebaut. Dass es trotz dieser Gleichförmigkeit gar nicht langweilig ist, sie sich anzuschauen, liegt daran, dass die Amsterdamer Wert auf Individualität legten. So wurden unterschiedlichste Giebelformen gebaut, vom bekannten Treppengiebel bis zum Schnabelgiebel. Diese wurden, wenn Geld da war, auch noch reich verziert.

Zudem entdeckt man an den Häusern alte "Bilder", Reliefs, die früher anzeigten, wer dort wohnte und quasi statt Hausnummer genutzt wurden - die Adresse lautete also etwa "Haus mit den zwei Fässern".
 Ich war schockiert, als ich las, dass in den 1950er Jahren mal überlegt wurde, Häuser niederzureissen und noch mehr Grachten zu zuschütten (einige wurden schon zur Straße umfunktioniert), um mehr Platz für Straßen und moderne Bebauung zu schaffen. Gottseidank gab es Proteste, und so kann ich, wie Millionen anderer Touristen, nun von Brücke zu Brücke laufen und zu den Giebeln emporstarren. Die Altstadt gehört inzwischen zum Weltkulturerbe. Zu Recht.

Praktische Hinweise:

Anreise: 
Mit Auto, Bahn oder Flieger. Ich hatte Glück und ergatterte ein Europa-Spezial der DB für 29 Euro, zurück ging es mit dem Fernbus. Easyjet fliegt günstig nach Schiphol. Meine Freundin reiste mit dem Auto an. Hat man kein Hotel mit Tiefgarage, sollte man damit nicht in die Innenstadt fahren. Es gibt, und dass hat sie auch genutzt, Park+Ride Parkplätze am Rand, von wo man ruckzuck mit der Tram am Bahnhof ist. Meine Bekannte hat von Freitag Abend bis Sonntag Nachmittag 7 Euro bezahlt. Mehr Infos dazu hier.

Unterkunft:
Aller Art, vom Luxushotel, normalen Hostels, Appartments, Billig-Hotels bis zum (halblegalen) Mini-Boot ohne alles auf einer Gracht über Airbnb. Wir buchten über Hostelworld das Boot, es war tiptop sauber, schön und mit viel Flair und inklusive einfachem Frühstück, aber eben mit engen Kabinen und sehr hellhörig. Also quasi war alles zu hören, vom Nachbarn, vom Gang, vom Klo, die Dusche. Altes Schiff eben. Aber tolle Lage und ich habe trotzdem ganz gut geschlafen, war nicht die ganze Nacht was los.


Grachtenfahrt:
Gehört irgendwie dazu. Am Damrak, unweit vom Bahnhof, gibt es mehrere Anbieter, eine Fahrt kostet ab ca. 11 Euro, es gibt auch Dinnerfahrten u.a. Wir waren mit Gray Line unterwegs, da gab es an den Plätzen Kopfhörer mit Audiokommentar in allen möglichen Sprachen, der war auch ganz gut. Leider war eine etwas laute Gruppe an Bord, das machte es schwieriger, es akustisch zu verstehen. Die Fahrt dauerte eine Stunde und bietet natürlich viele schöne Blicke auf die Häuserchen und Brückenfluchten. Aber auch durch den Hafen, das Ij, fährt man, vorbei an modernen Gebäuden und an der Rückseite des  Bahnhofs entlang.
Filmmuseum "Eye"
Nemo, Wissenschaftsmuseum
Ich bin bei der Grachtenfahrt völlig hin und weg...
Mehr zu Amsterdam findet ihr hier.

1 Kommentar:

  1. Hallo Inka, vielen Dank für den Hinweis! Leider lässt sich das nicht einfach so abändern bzw würde es dann auf allen Seiten das Layout zerschiessen. Aber auf der mobilen Ansicht auf dem Handy wird eine andere Ansicht verwendet, und am PC kann man ja einfach auch die Bildschirm-Ansicht vergrößern. Aber ich werde mich mit dem Thema nochmal befassen. Wäre ja schade wenn es daran scheitert, dass man es nicht lesen kann :-)

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