Mittwoch, 10. Juni 2015

Reitwochenende auf Isländern - die Suche nach dem 4. Gang

Ich komme mir vor, als hätte ich noch nie auf einem Pferd gesessen. In meinem Kopf überschlagen sich die Infos zu Sitz und Kommunikation, die uns Nana (Trainerin A für Islandpferde) in der Theoriestunde auf und an einem tollen Rapphengst so anschaulich erklärt hat. Theoretisch ist alles klar, doch nun, selbst im Sattel, arbeiten Hände, Kopf und Schenkel gegeneinander, mein Pferd reisst den Kopf hoch und geht alles andere als taktklaren Tölt.
Doch hier greift das Konzept des Islandhofes, auf dem ich dieses sonnige, aber nicht zu heisse Juniwochenende verbringe: Selbst in den Gruppenstunden wird der Unterricht ganz individuell gestaltet, und Katja, die sehr nette und engagierte Reitlehrin, nimmt sich meiner an - mit deutlichen Worten, aber klar und verständlich.
Ich wollte zu viel auf einmal von Gustur, dem schicken windfarbenen Wallach, der noch vor nicht gar nicht allzu langer Zeit ein noch schickerer Hengst war und sich demnach immer noch von den Stuten auf dem Paddock nebenan ablenken lässt. Doch gerade weil er auch so aussieht wie mein Traum-Isi (jaja ich weiss, auf Farben reitet man nicht), will ich ja gut mit ihm klar kommen. Also durchatmen, Sitzkorrektur, Hände ruhig, treiben. Irgendwann macht es klick, und er läuft sauber und rund. Ein tolles Gefühl! Das Tölt-Wochenende hatten eine Freundin und ich uns ausgesucht, weil wir beide genauer wissen wollten, wie das denn nun funktioniert mit dem 4. Gang. Ich bin schon auf Isländern geritten, durch das Hochland in Island und durchs Watt der Nordsee, aber da bestand die Einweisung in eher groben Anweisungen, und irgendwie lief es halt. Hier auf dem großen Hof, Heimat für über 100 Isis, mehrere Hengste, Stuten und Fohlen, Schul- und Verkaufspferde, lerne ich das feine Reiten der flotten Pferde - und dass es eben genauso Arbeit ist wie Dressur im englischen Stil. Am Samstag stehen zwei Unterrichtsstunden im Viereck an, dazu Theorie mit Nana.
Am Sonntag dürfen wir auch nochmal auf die große Ovalbahn, wo Nana gestern per Headset die Fortgeschrittenen unterrichtet hat. Katja verzichtet auf die Mikros, nimmt sich individuell Zeit. Es ist mein erstes Mal auf einer Ovalbahn, und ich liebe es. Es gibt einfach viel mehr Platz um eine Weile das Pferd zu spüren, das Tempo zu verändern, den Takt auszuloten - ohne dass schon wieder die nächste Ecke oder ein Mitreiter in die Quere kommen. Gustur ist heute auch besser drauf, und wir tölten unsere Runden, zunächst Tölt-Halt Übergänge, um die Pferde auf die Hinterhand zu bekommen, dann Tölt-Schritt. Nach der Mittagspause, in der es wie gestern sehr leckeres, frisch zubereitetes, einfaches aber köstliches Essen gibt (Sonntag war es Lasagne, Samstag Omelette mit Salat, dazu lecker Kuchen) gibt es nachmittags zum Abschied einen Ausritt. Ich reite ein anderes Pferd, einen älteren Schimmel, dessen isländischer Name mir leider entfallen ist. Aber auch hier wird nicht einfach drauflosgeritten, sondern Katja unterrichtet vom Pferd aus, gibt Aufgaben, etwa Slalom durch die Gruppe zu reiten, allein vorbeizutölten etc. Alles in allem zwei sehr intensive Tage mit sehr gutem Unterricht, die meine Leidenschaft für diese Pferde neu entfacht haben und mir aber auch gezeigt haben, dass ich als reiner Freizeitreiter noch viel an mir arbeiten sollte, was feine Hilfen angeht. Das gilt sicher nicht nur fürs Tölten.

Der Hof: 
Es ist eine Hofstelle, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, das große Haupthaus ist aus dem 19. Jahrhundert. Es ist eine sehr gepflegte Anlage mit Wohnhaus, Nebengebäude, wo auch der Seminar/Aufenthaltsraum, Küche und einige der schön eingerichteten Gästezimmer sind, Stallungen, Longierzirkel und Wallach-Offenstall. Ein kleines Stück die Straße runter und schon ist man an den riesigen Weiden, dem Stutenpaddock, Viereck und Ovalbahn.
Unterkunft: 
Für die Wochenend-Lehrgänge, aber auch ganze Reitwochen gibt es mehrere Zimmer auf dem Hof. Unser Doppelzimmer war sehr geräumig, liebevoll eingerichtet und hatte ein gemütliches Bad in Backsteinoptik. Im Preis enthalten waren Frühstück und zwei Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen (Anreise Sa, Abreise So). Letztlich gab es dann doch auch Abendbrot (Fischplatten und Ofenkartoffeln mit frischem Quark) für die Übernachtungsgäste.
Kritik: 
Manchmal haperte es der Absprache. So wurde auch die Sache mit dem Abendessen nicht richtig gut kommuniziert und abgefragt, kam dann abends etwas unerwartet, und erst am nächsten Tag erfuhren wir beim Abschied, dass es noch extra kostet. Das ist vollkommen in Ordnung, sollte aber besser kommuniziert werden. Und es war etwas unübersichtlich, was Pferdeholen, Zuteilung von Satteln und Trensen und Gruppen anging. Da gab es manchmal Missverständnisse und Wartezeiten. Auch die Zeit fürs Abendessen statt nicht richtig fest bzw. sollten wir dann noch Pferde von der Weide treiben, obwohl alles fertig war. Da hätte man einfach klarere Absprachen gebraucht. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt.
Hengststall
Fazit: 
Ein wundervoller Hof am Rand eines kleinen Dorfes mit tollen Pferden, fein geritten, für jeden wurde immer das passende Pferd gefunden, auch Anfänger werden gut betreut, Fortgeschrittene werden gefördert und gefordert. Der individuelle, intensive und engagierte, auch mal strenge Unterricht war super und genau das, was ich mir erhofft hatte. Das Ausreitgelände beginnt direkt am Hof und scheint sehr weitläufig zu sein. Der Hof und die Zimmer sind einfach nur zum Wohlfühlen, das Essen war ausgewogen und superlecker.
Und nur für alle Digital-Junkies: Netz oder Internet gab es auf dem Hof nur wenig bzw an wenigen Stellen:-) Macht aber nix, wenn ihr mich fragt. Bleibt mehr Konzentration aufs Pferd - und auf den Einklang von Händen, Schenkeln und Kopf zur Hilfengebung. Hier geht es zum Müllershoff.
Gustur

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