Mittwoch, 22. April 2015

Island - Ritt durchs Hochland

Mein erster Trail - in Island
Mein Ritt durch Island ist schon fünf Jahre her. Dennoch möchte ich ihn hier noch einmal posten. Denn zum einen hat sich im Hochland sicher nicht sooo viel verändert, zum anderen ist es DIE Reise gewesen, die mich süchtig gemacht hat. Süchtig nach Trailritten. Und es war meine erste Solo-Reise. Allein geplant, gebucht, gemacht. Allein reisen - bis dahin ein Unding. Doch Island war mein großer Traum, und ich fand einfach niemanden, der mitwollte oder konnte. Entweder, weil diejenigen nicht reiten konnten, oder weil es einfach zu teuer war. Island ist teuer, und gerade der Ritt war ja der Grund, warum ich da hin wollte. Wo sonst ist ein Land so mit seinen Pferden verbunden, gibt es eine - und nur eine - Rasse, die seit Jahrhunderten rein gezüchtet wird? Die Reise war das Beste, was mir passieren konnte. Sie nahm mir die Angst vorm Alleinreisen und begeisterte mich fürs Trailreiten - und so folgten weitere Traum-Reisen, die ich mir erfüllte. Ich bin auf Island nicht nur geritten. Von meiner Zeit in Reykjavik, in und um Akureyri und dem Whale-Watching (noch ein Traum, der dort in Erfüllung ging) werde ich auch noch einmal berichten denke ich. Jetzt aber erstmal ein Bericht über den Ritt quer durchs Hochland, auf der Kjölur Route.
(Anmerkung: in fast identischer Form ist dieser bereits als Reportage in der - zwischenzeitlich eingestellten - Zeitschrift "Pferdebörse", Ausgabe 11/12 2010 erschienen).


Zwischen Gletschern und Vulkanen – Mit 50 Pferden durch das Hochland

Was zunächst als Wolke am Horizont erscheint, wird beim näher kommen zur weiß-blauen Eismasse, die aus dem dunklen Gebirge hervorzuquellen scheint.
Zwischen dem riesigen Langjökull-Gletscher und dem kleineren Höfsjökull reiten wir sechs Tage lang durch Island, von Nord nach Süd. Auf Reitpfaden abseits der Autopiste, mit 50 Islandpferden, 30 davon laufen frei mit, durch das unbewohnte Hochland. Sechs Tage sind wir unterwegs, 240 Kilometer insgesamt. Das Gepäck kommt per Auto abends zu den Hütten. Am Pferd habe ich nur Bauchtasche mit Foto, Taschentüchern etc. dabei. Wasser gibt es ebenfalls unterwegs, ebenso Kekse. Mittagessen auch - dazu später mehr. Aufgereiht wie an einer Perlenkette geht es im flottem Tölt vorwärts, vorn Reiter, dann die Herde, dann wieder Reiter. Bis zu 40 Kilometer am Tag legen wir zurück auf den „Wikinger-Pferden“, die zwar vom Stockmaß her als Ponys gelten, doch zu Recht nicht so genannt werden – schon gar nicht von den Isländern. Das beste Beispiel, dass Isis auch von „Großen“ geritten werden kann, ist Gylfi Thorkelsson. Der Lehrer, der im Sommer Reit-Touren führt, ist 1,95 Meter groß. Das einzige Problem, das stellenweise dabei auftaucht, sind tiefe Rinnen. Auf weichem, dunklem Boden haben die Pferde metertiefe, schmale Furchen hinterlassen – da müssen langbeinige Reiter die Füße hochziehen. Und das im schnellen Tempo. Doch nicht nur auf diesem Untergrund ist die Geschwindigkeit hoch, auch im Geröll, durch Flussbetten und über moosbewachsene Huppel. Nur auf der steinharten, wellenartig abgekühlten Lava oder bei steilen Auf- und Abstiegen wird Schritt eingelegt. „Auf diesen Wegen würden wir zu Hause nicht reiten, schon gar nicht so schnell“, ist immer wieder zu hören.
harter Lavaboden
Trittsicherheit hat hier viele Namen: Heljar, Tjaldur, Snudur, Oðinn, Lysingur. Die Aussprache ist schwierig, und da wir ständig Pferde wechseln, kann sich die Namen niemand merken. „Hat schon mal jemand den Haflinger geritten?“ fragt Andrea bei der Neuzuteilung. Natürlich ist es kein Haflinger, der blonde, kräftige Fuchs mit Blesse sieht aber so aus. Denn Tiere anderer Rassen gibt es nicht auf der Insel – Importverbot.
Unsere bunte Herde
Das soll auch vor hier unbekannten Seuchen schützen. Dennoch grassierte in diesem Jahr eine Bakterien-Infektion. Die Atemwegserkrankung führte sogar dazu, dass der Landsmót, die alle zwei Jahre stattfindende große Leistungsschau, abgesagt wurde. Zudem musste der Export von Mai bis Mitte September gestoppt werden. Auch wenn nicht genau klar ist, wie der Virus ins Land kam: Es ist eigentlich auf jeden Fall verboten, gebrauchte Reitausrüstung mitzubringen. Jeder Reiter, der nach Island fährt, sollte diese Auflage ernst nehmen – auch wenn die Kontrollen am Flughafen nicht sehr streng sind.
Auch die Reitveranstalter hatten mit der Krankheit zu tun. So wurde die Tour über die andere Hochlandroute, die Sprengisandur, abgesagt. Zu lang, zu hart und keine Möglichkeit, ein erkranktes Tier mit dem Hänger abzuholen. Doch auch auf der Kjölur wird ihnen viel abverlangt. Guide Caro hat Ersatzeisen, Nägel und Hammer dabei und muss mehrfach als Schmied schuften. Ein Pferd lahmt eines Morgens, doch es muss noch bis zur nächsten Hütte mitlaufen, erst dort kann es abgeholt werden. In früheren Jahrhunderten wurde die Kjölur als Route zum Alþingi, der jährlichen gesetzgebenden Versammlung in Þingvellir genutzt, da in ausreichenden Abständen Wiesen zu finden sind. Diese nutzen auch wir für Pausen: die vorderen Reiter stoppen und bringen die Herde zum Stehen, die hinteren schließen sacht auf, die Herde wird eingekreist. Wir entfernen die Nasenriemen und lassen auch die Reitpferde grasen. Zeit, um einen Schluck aus der Wasserflasche zu nehmen. Zeit, sich kurz zu setzen und die baumlose Weite auf sich wirken zu lassen. Mal in saftigem Grün, dann in grauem Geröll oder dunkler Lava. Ein breiter Gletscherfluss hat sich tief in eine Ebene eingegraben, kleinere Bäche stürzen sich von den Bergen. 
Zeit, ein paar der schwarzen Krähenbeeren zu pflücken und zu naschen. „Herr der Ringe hätte auch hier gedreht werden können“ sind wir uns einig. Hanno erinnert daran, dass Zauberer Gandalf samt Walle-Gewand und Zauberstab dann auf einem kleinen weißen Isi im Tölt durch Mittelerde hätte flitzen müssen. Schließlich heißt es wieder: Nasenriemen überstreifen, aufsitzen.
Die Front-Reiter gehen los, die Herde reiht sich ein. Von hinten muss nur ab und an getrieben werden. Mit leisen Pfiffen fordert Caro Nachzügler auf, wieder schneller zu werden. Zudem hat sie ein Auge auf Ausreißer. Verlässt ein Tier die Reihe, folgt sie ihm auf ihrem Pferd, treibt es zurück zur Gruppe.
Immer wieder kommen wir an umzäunten Paddocks vorbei. Hier treffen wir auch unser Versorgungsauto, sehnsüchtig wird das „Essen auf Rädern“ von Köchin Eyglö erwartet. 
Pause inmitten der Pferde
Wenn die Pause vorbei ist, begeben sich unsere Guides inmitten des Gewusels aus Pferden, die in einer Ecke zusammengetrieben werden. Ruhig gehen sie durch die Herde, nähern sich langsam den ausgewählten Tieren, umfassen sie und streifen die einfache Trense über. Meist wirkt die Ruhe auf die Pferde, doch manche wollen sich nicht einfangen lassen, sondern tobt mit angelegten Ohren durch die Menge, alle Pferde geraten in Bewegung, die Guides werfen sich in den Weg.
„Da denkt man, das sind Wildpferde“, sagt Heidrun, die das Einfangen gebannt beobachtet, „und dann sind sie ganz brav.“ Auch mein Pferd, ein Falbe diesmal, bleibt ruhig, lässt sich putzen, ohne zu zucken. Putzen heißt: Den groben Dreck aus der Sattellage entfernen. Denn nach getaner Arbeit lassen sich die Pferde an besonders staubigen Stellen zum genüsslichen Wälzen nieder. Da für die Gruppe nur eine Bürste im Umlauf ist, zeigt Gylfi, dass es auch ein Stückchen Holz tut.
Putzen auf isländisch
Hufe auskratzen? Unbekannt. Dann wird gesattelt. Jeder Reiter bekommt „seinen“ flachen, isländischen Sattel mit geschwungenen Steigbügeln, der dann auf jedes zugeteilte Pferd kommt – und offenbar immer passt.
Personalisierte Steigbügel unseres Guides
Bequem sind sie, ebenso wie die meisten Pferde. „Töltet der?“ ist am Anfang eine häufige Frage. Bis auf zwei Ausnahmen reitet zu Hause niemand Gangpferde. Die Anleitung von Gylfi war denkbar einfach: tief sitzen, Hände hoch. Es wird klar, dass es auch Tölter gibt, die nicht so gut zu sitzen sind: Pferde, die lieber traben oder galoppieren. Aber es gibt auch die "Sofas", wie Funi, ein herrlicher Fuchs, der mein Favorit wird.
Die Herde setzt sich zusammen aus Tieren des Veranstalters und Pferden, die von verschiedenen Besitzern angemietet wurden. Auch Gylfi hat fünf seiner Pferde mitgebracht. Auf der Weide stehen immer die zusammen, die vom selben Hof kommen. Ein kleiner Fuchsschecke ruft lautstark nach seinen Kumpels und sucht deren Nähe. Einmal darf er ausnahmsweise ungeritten zwischen uns mitlaufen, um hinter seinem im Einsatz befindlichen Kumpan zu sein.
 
Auch für die Reiter ist die Tour anstrengend. Am zweiten Tag geht es stundenlang durch Staub. Alle sind verdreckt, einige haben Muskelkater oder wunde Stellen an den Knien – niemand ist ambitionierter Wanderreiter, aber alle wollten sich auf das Abenteuer Hochland einlassen. Abends entschädigen uns warme Duschen. Nur eine Hütte hat keine. Dennoch: der Komfort ist ausreichend. 
„Seit ich angefangen habe, die Touren zu machen, hat sich dahingehend viel verändert, früher gab es kein fließend Wasser“, erzählt Gylfi.
Badezimmer
In einer der hellen Sommernächte, in einer Höhle im Lavafeld, berichtet er vom Geächteten Eyvindur und seiner Partnerin Halla, die sich 20 Jahre im Hochland versteckten. Beim atemberaubenden Blick vom steinigen Höhenpass hinab in das grüne Tal der Diebe, Þjófadalur, erfahren wir, dass hier die Gesetzlosen Jagd auf die umherstreifenden Schafe machten.
Blick ins Tal der Diebe

Einmal ziehen wir freiwillig den klaren Gebirgsbach einer Dusche vor. Noch besser ist die Badestelle in Hverevellir, einem der zahlreichen Geothermalgebiete.



Dort raucht die Erde, blubbern Wasserlöcher, fauchen kleine Kegel - Ablagerungen aus Sinter und Schwefel - lautstark Dampf aus.
Wir sitzen im warmen Wasser im natürlichen Hot Pot und entspannen, bevor wir uns hungrig am Tisch versammeln.
Herrlich entspannend, der Hot Pot
Es gibt mal Lammbraten, mal gegrillten oder gekochten Fisch, dazu Beilagen. Der Weg wird zum Ziel, es spielt sich eine angenehme Routine ein, vom Übernachten im Schlafsack in den Hütten über das Frühstück mit Hafergrütze, das Satteln, das Reiten, die neuen Pferde. Der regelmäßige Pferdewechsel ist nicht nur dazu da, um die Tiere gleichmäßig zu belasten, sondern auch, um „möglichst viel Erfahrung zu sammeln und die unterschiedlichen Charaktere kennen zu lernen“, erklärt Gylfi.Wenn uns hier doch mal Wanderer oder, in der Nähe der Straße, Autos oder Busse begegnen, wird unsere lange Pferdeschlange zum beliebten Fotomotiv. Kein Wunder, gehören die Pferde doch zu Island wie Gletscher und Vulkane.

Info:
Auf Island gibt es mehrere große Reitveranstalter und viele kleine Höfe, die Touren aller Art anbieten. Eldhestar nahe Reykjavik z.B. organisiert Hochland-Trecks, aber auch Anfänger-Ausritte. Wer die Reittour mit einem weiteren Aufenthalt verbinden möchte, kann sich an spezialisierte Reisebüros wenden, etwa Island-Erlebnis. Reithelme und Regenkleidung werden gestellt.
Die Regenkleidung wurde gestellt
Heute mal ein Schecke für mich

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