Mein erster Trail - in Island |
(Anmerkung: in fast identischer Form ist dieser bereits als Reportage in der - zwischenzeitlich eingestellten - Zeitschrift "Pferdebörse", Ausgabe 11/12 2010 erschienen).
Zwischen Gletschern und Vulkanen – Mit 50 Pferden durch das
Hochland
Was zunächst als Wolke am Horizont erscheint, wird beim näher
kommen zur weiß-blauen Eismasse, die aus dem dunklen Gebirge hervorzuquellen
scheint.
Zwischen dem riesigen Langjökull-Gletscher und dem kleineren Höfsjökull
reiten wir sechs Tage lang durch Island, von Nord nach Süd. Auf Reitpfaden
abseits der Autopiste, mit 50 Islandpferden, 30 davon laufen frei mit, durch
das unbewohnte Hochland. Sechs Tage sind wir unterwegs, 240 Kilometer insgesamt. Das Gepäck kommt per Auto abends zu den Hütten. Am Pferd habe ich nur Bauchtasche mit Foto, Taschentüchern etc. dabei. Wasser gibt es ebenfalls unterwegs, ebenso Kekse. Mittagessen auch - dazu später mehr. Aufgereiht wie an einer Perlenkette geht es im flottem
Tölt vorwärts, vorn Reiter, dann die Herde, dann wieder Reiter. Bis zu 40 Kilometer am Tag
legen wir zurück auf den „Wikinger-Pferden“, die zwar vom Stockmaß her als
Ponys gelten, doch zu Recht nicht so genannt werden – schon gar nicht von den
Isländern. Das beste Beispiel, dass Isis auch von „Großen“ geritten werden
kann, ist Gylfi Thorkelsson. Der Lehrer, der im Sommer Reit-Touren führt, ist 1,95 Meter groß. Das
einzige Problem, das stellenweise dabei auftaucht, sind tiefe Rinnen. Auf
weichem, dunklem Boden haben die Pferde metertiefe, schmale Furchen hinterlassen
– da müssen langbeinige Reiter die Füße hochziehen. Und das im schnellen Tempo.
Doch nicht nur auf diesem Untergrund ist die Geschwindigkeit hoch, auch im Geröll,
durch Flussbetten und über moosbewachsene Huppel. Nur auf der steinharten,
wellenartig abgekühlten Lava oder bei steilen Auf- und Abstiegen wird Schritt
eingelegt. „Auf diesen Wegen würden wir zu Hause nicht reiten, schon gar nicht
so schnell“, ist immer wieder zu hören.harter Lavaboden |
Trittsicherheit hat hier viele Namen: Heljar,
Tjaldur, Snudur, Oðinn, Lysingur. Die Aussprache ist schwierig, und da wir
ständig Pferde wechseln, kann sich die Namen niemand merken. „Hat schon mal
jemand den Haflinger geritten?“ fragt Andrea bei der Neuzuteilung. Natürlich
ist es kein Haflinger, der blonde, kräftige Fuchs mit Blesse sieht aber so aus.
Denn Tiere anderer Rassen gibt es nicht auf der Insel – Importverbot.
Unsere bunte Herde |
Das soll auch vor hier unbekannten Seuchen schützen. Dennoch
grassierte in diesem Jahr eine Bakterien-Infektion. Die Atemwegserkrankung führte sogar dazu, dass der
Landsmót, die alle zwei Jahre stattfindende große Leistungsschau, abgesagt
wurde. Zudem musste der Export von Mai bis Mitte September gestoppt werden. Auch
wenn nicht genau klar ist, wie der Virus ins Land kam: Es ist eigentlich auf jeden Fall verboten,
gebrauchte Reitausrüstung mitzubringen. Jeder Reiter, der
nach Island fährt, sollte diese Auflage ernst nehmen – auch wenn die Kontrollen
am Flughafen nicht sehr streng sind.
Auch die Reitveranstalter hatten mit der Krankheit zu tun.
So wurde die Tour über die andere Hochlandroute, die Sprengisandur, abgesagt.
Zu lang, zu hart und keine Möglichkeit, ein erkranktes Tier mit dem Hänger
abzuholen. Doch auch auf der Kjölur wird ihnen viel abverlangt. Guide Caro hat
Ersatzeisen, Nägel und Hammer dabei und muss mehrfach als Schmied schuften. Ein
Pferd lahmt eines Morgens, doch es muss noch bis zur nächsten Hütte mitlaufen,
erst dort kann es abgeholt werden. In früheren Jahrhunderten wurde die Kjölur
als Route zum Alþingi, der jährlichen gesetzgebenden Versammlung in Þingvellir
genutzt, da in ausreichenden Abständen Wiesen zu finden sind. Diese nutzen auch
wir für Pausen: die vorderen Reiter stoppen und bringen die Herde zum Stehen,
die hinteren schließen sacht auf, die Herde wird eingekreist. Wir entfernen die
Nasenriemen und lassen auch die Reitpferde grasen. Zeit, um einen Schluck aus
der Wasserflasche zu nehmen. Zeit, sich kurz zu setzen und die baumlose Weite
auf sich wirken zu lassen. Mal in saftigem Grün, dann in grauem Geröll oder
dunkler Lava. Ein breiter Gletscherfluss hat sich tief in eine Ebene
eingegraben, kleinere Bäche stürzen sich von den Bergen.
Zeit, ein paar der
schwarzen Krähenbeeren zu pflücken und zu naschen. „Herr der Ringe hätte auch hier gedreht werden
können“ sind wir uns einig. Hanno erinnert daran, dass Zauberer Gandalf samt
Walle-Gewand und Zauberstab dann auf einem kleinen weißen Isi im Tölt durch
Mittelerde hätte flitzen müssen. Schließlich heißt es wieder: Nasenriemen
überstreifen, aufsitzen.
Die Front-Reiter gehen los, die Herde reiht sich ein. Von
hinten muss nur ab und an getrieben werden. Mit leisen Pfiffen fordert Caro Nachzügler
auf, wieder schneller zu werden. Zudem hat sie ein Auge auf Ausreißer. Verlässt
ein Tier die Reihe, folgt sie ihm auf ihrem Pferd, treibt es zurück zur Gruppe.
Immer wieder kommen wir an umzäunten Paddocks vorbei. Hier treffen
wir auch unser Versorgungsauto, sehnsüchtig wird das „Essen auf Rädern“ von
Köchin Eyglö erwartet.
Pause inmitten der Pferde |
„Da denkt man, das sind Wildpferde“, sagt Heidrun, die das Einfangen gebannt beobachtet, „und dann sind sie ganz brav.“ Auch mein Pferd, ein Falbe diesmal, bleibt ruhig, lässt sich putzen, ohne zu zucken. Putzen heißt: Den groben Dreck aus der Sattellage entfernen. Denn nach getaner Arbeit lassen sich die Pferde an besonders staubigen Stellen zum genüsslichen Wälzen nieder. Da für die Gruppe nur eine Bürste im Umlauf ist, zeigt Gylfi, dass es auch ein Stückchen Holz tut.
Putzen auf isländisch |
Personalisierte Steigbügel unseres Guides |
Die Herde setzt sich zusammen aus Tieren des Veranstalters
und Pferden, die von verschiedenen Besitzern angemietet wurden. Auch Gylfi hat
fünf seiner Pferde mitgebracht. Auf der Weide stehen immer die zusammen, die vom
selben Hof kommen. Ein kleiner Fuchsschecke ruft lautstark nach seinen Kumpels
und sucht deren Nähe. Einmal darf er ausnahmsweise ungeritten zwischen uns
mitlaufen, um hinter seinem im Einsatz befindlichen Kumpan zu sein.
Auch für die Reiter ist die Tour anstrengend. Am zweiten Tag
geht es stundenlang durch Staub. Alle sind verdreckt, einige haben Muskelkater
oder wunde Stellen an den Knien – niemand ist ambitionierter Wanderreiter, aber
alle wollten sich auf das Abenteuer Hochland einlassen. Abends entschädigen uns
warme Duschen. Nur eine Hütte hat keine. Dennoch: der Komfort ist ausreichend.
„Seit ich angefangen habe, die Touren zu machen, hat sich dahingehend viel
verändert, früher gab es kein fließend Wasser“, erzählt Gylfi.Badezimmer |
Blick ins Tal der Diebe |
Dort raucht die Erde, blubbern Wasserlöcher, fauchen kleine Kegel - Ablagerungen aus Sinter und Schwefel - lautstark Dampf aus.
Herrlich entspannend, der Hot Pot |
Info:
Auf Island gibt es mehrere große Reitveranstalter und viele kleine Höfe, die Touren aller Art anbieten. Eldhestar nahe Reykjavik z.B. organisiert Hochland-Trecks, aber auch Anfänger-Ausritte. Wer die Reittour mit einem weiteren Aufenthalt verbinden möchte, kann sich an spezialisierte Reisebüros wenden, etwa Island-Erlebnis. Reithelme und Regenkleidung werden gestellt.
Die Regenkleidung wurde gestellt |
Heute mal ein Schecke für mich |
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