Mittwoch, 4. März 2015

Wienerisch und scharfe Würstel

Dass es auch bei einer Reise "nur" in unser Nachbarland Verständnisschwierigkeiten geben kann, zeigte das Wochenende in Wien. Da besonders viel unbekanntes Vokabular uns im Bereich des Ess- und Trinkbaren begegnete (aber nicht nur), gibt es zum Abschluss meiner Wien-Berichte einen kleinen Exkurs zu den Sprachwirren und den kulinarischen Leckereien, die mir aufgefallen sind.

In Wien gehören Kaffeehäuser zum Alltag dazu. Und da wir in aller Hergottsfrühe aufgestanden sind, ist nach einem ersten Spaziergang schnell ein solches angesteuert, um einen kleinen Lunch einzunehmen. Wir kehren im Café Sperl (Gumpendorfer Straße 11, nahe Rahlstiege) ein.
Hier ist die Zeit stehen geblieben, wie an so vielen anderen Orten der Stadt. Die Kellnerinnen hier, wie fast überall, eher wienerisch schroff als liebenswürdig - aber das gehört dazu.
 
Ein Kaffee muss sein, zum wieder Wach-Werden. Doch da fängt es schon an: Großer und kleiner Brauner, Einspänner - was irgendwie nach Pferden klingt in meinen Ohren, sind die Kaffeesorten in der Karte, nämlich Mokka mit Milch in groß oder klein bzw. Mokka im Glas mit Sahne, pardon, Schlagobers, wie diese hier heißt). Dazu noch Franziskaner (Melange mit Milch), Kapuziner (Einspänner mit weniger Sahne) oder, immerhin bekannt, eine Melange.
Ich geh auf Nummer sicher und bestelle einen Cappuccino. Zum Kaffee gibt es übrigens immer ein Glas Leitungswasser, wie in Italien. Eine Sitte, die ich in Deutschland immer schmerzlich vermisse. Meine Mitreisende hat Hunger auf Deftiges und bestellt Würstel - mit Senf und "Kren". Ich frage ob sie weiß, was das ist. Keine Ahnung. Der Teller kommt, und neben dem Senf steht da ein Näpfchen mit weissem geriebenen Etwas, sieht aus wie Parmesan, ist aber, wie der Test zeigt: Merrettich! Die scharfe Kombi ist hier Standard und schmeckt richtig gut, wie ich später auch noch feststelle.
Würstel mit Senf und "Kren"
Würstel gibt es hier wirklich überall, sie sind der Traditionsimbiss, egal ob im Kaffeehaus oder an einem der vielen Würstel-Buden, sogar am schicken Graben.
Am Graben
Am Naschmarkt
Im Sperl entscheide ich mich aber bei unserem späten Frühstück für die Sparte der süßen Mehlspeisen, für die Österreich ja auch bekannt ist. Ich bestelle einen Topfenstrudel, wobei Topfen Quark ist und der Strudel wie ein fluffiger Käsekuchen mit knusprigem Blätterteigdeckel ist - sehr lecker.
Neben den Strudeln gibt es Marillen-Knödel oder Torten aller Art. Auch Kaiserschmarren muss sein, traditionell mit Pflaumen-Kompott.
Die berühmte Sachertorte ist leider nicht so meine Geschmacksrichtung, aber viele andere Kreationen wollen auch probiert werden, etwa eine Malakoff- oder eine Sisi-Torte, im Gloriette-Restaurant in Schönbrunn bzw. im Café Griensteidl (direkt am Michaelerplatz an der Hofburg, daher etwas teurer und touristischer, aber schön).
Sisi als Konditortraum
Café Griensteidl l, Malakoff-Torte (schmeckte sehr nach Rum)
Am Abend ist der Hunger dann wirklich groß, und natürlich muss ein echtes Wiener Schnitzel her - Wien ist schließlich Schnitzel-Town.

Echt heißt: KALB-Fleisch (teurer als Schwein, aber besser) und ganz flach geklopft, kross paniert und OHNE Sauce. Dazu gibt es einen Erdäpfel-Salat. Ja, das ist Kartoffel-Salat... Erdäpfel kennen wir zwar, klingt aber altmodisch. Irgendwie erinnert mich das Wienerische ohnehin an ein Deutsch, wie es vielleicht vor 100 Jahren auch bei uns gesprochen wurde. So ist man im Job nicht einfach krank, sondern derjenige "ist im Krankenstand". Oder etwas ist "vis a vis" und nicht bloss gegenüber. Passt ja zu dieser historisch wirkenden Stadt. Zum Schnitzel passt wunderbar ein "G'Spritzter", also eine Weinschorle. Das alles gibt es im "Beisl", einer Kneipe. Wir geniessen es im Schlossquadrat im Silberwirt, dessen Bierdeckel laut verkünden, was in Wien wirklich sinnlos ist: Diät zu machen.
Silberwirt
Auch abseits der Kulinarik hat das Wienerische süße Ausdrücke. So wird man im Laden etwa gefragt, ob man ein "Sackerl", also eine Tüte möchte, und mein Lieblingswort ist übrigens "Bim". Als wir abends ausgehen wollen, suchen unsere beiden österreichischen Bekannten nämlich auf dem Smartphone nach der besten Verbindung mit Bus und Bahn, und die "Bim" fährt auch - das ist die Straßenbahn.
Ach ja, die fährt übrigens auch durch Gassen. Denn das sind hier durchaus "richtige" Straßen, keine schmalen Durchgänge.
Noch was gelernt. Darauf noch einen G'Spritzten!

Mehr zu Wien gibt es hier (Zeitreise) und hier (Hofreitschule).


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