Mittwoch, 11. Januar 2017

Trailritt in Peru: Im Paso Llano durchs Heilige Tal

Dreh- und Angelpunkt meiner dreiwöchigen Gruppenreise nach Peru war auch ein mehrtägiger Ritt. Schließlich hatten wir uns alle über Reitreisen kennengelernt und auch Peru sollte eine Reitreise sein - mit Programm drumrum. Da wir die Reise extra für uns zusammenstellen liessen, passten die über die großen Anbieter veranstalteten Reit-Reisen nicht rein, und unsere Agentur vor Ort suchte für uns ein individuelles Angebot. So kamen wir zu wundervollen sechs Tagen im Sattel - Sightseeing, Abenteuer am Abgrund und Einblicke in den peruanischen Anden-Alltag inklusive - hier kommt der Bericht:


Anbieter und Orga
Die Reittour umfasste sechs Tage und fünf Nächte, vier im Zelt, eine im Hostal. Wie wir vor Ort feststellten, war dieses Paket extra für uns geschnürt wurden. So arbeitet ein "Chalan", ein Reitguide, der solche Touren öfter macht, mit einer Ranch zusammen, die die Pferde stellt, und unsere Agentur, über die wir alles gebucht hatten, stellte Zelte, Koch, Gehilfe, Auto und Ausrüstung. Für die Ranch war es die erste lange Tour dieser Art - und sie freuten sich sehr, dass alles so gut geklappt hatte. Ich hoffe sehr, dass Jacqui, die Besitzerin, dies weiterführt und sich da etwas aufbaut. Es war alles perfekt organisiert: Wir starteten an der Ranch im Tal des Urubamba, dem Sacred Valley.
Die Ranch
Am ersten Tag ritten wir dort in der Umgebung, u.a. auch in Dorf Ollantaytambo und kehrten zur Ranch zurück, wo wir in Zelten übernachteten. Ein Gebäude mit Küche und Essensaal stand zur Verfügung. Die nächsten Tage ritten wir dann weiter in und um das Tal herum. Mittags wartete irgendwo die Crew mit uns, Küchenzelt und Zelt zum Essen waren aufgebaut. Abends wurde gecampt, in der Nähe eines Dorfes oder eines Bauernhofes. Auch dort gab es dann Drei-Gänge-Dinner. Wir hatten einen tollen Koch dabei, der uns sehr gut versorgt hat.
Kleiner Besucher am Mittagstisch
Es gab immer eine Suppe, zum Hauptgang Fleisch mit Beilagen aller Art und auch immer Nachtisch. Mittags auch mal frische Guacamole (jamjam) und zum Frühstück zwar eklig aussehenden, aber leckeren warmen "Getreideschleim" mit Kakao.
 
 

Nachts ging es zu zweit in die Iglu-Zelte. Dünne Matten wurden gestellt, Schlafsäcke hatten wir dabei. Es gab ein Plumpsklo mit "Zelt" drumrum.
 
Am vierten Abend übernachteten wir im Andendorf Chinchero in einem hübschen Hostal (Casa de Barro), und freuten uns alle auf die Dusche. Auch Picknickpausen wurden gemacht, zudem Stopps an Sehenswürdigkeiten. Dazu später mehr.
Siesta

Pferde und Reitweise
"Holla die Waldfee" dachten wir wohl alle, als Alvi, unser Guide, uns nach der Ankunft auf der Ranch im engen Tal des Urubamba auf einer kleinen Fläche ein Pferd vorführte - es schmiss die Beine spektakulär nach außen und wirkte sehr temperamentvoll. Ich stieg trotzdem auf das andere Probepferd auf - lieber hier als gleich beim ersten Ritt. Und drehte eine Runde. Und - merkte nichts. Denn die Pferde, Paso Peruanos, laufen im Paso Llano. Dass wirkt auf uns ungewohnt, weil sie die Vorderbeine so nach außen werfen - wenn man drauf sitzt, ist es aber sehr bequem und ruhig. Wir bekamen dann jeder ein Pferd zugeteilt. Sie waren alle gut in Form, bis auf zwei, die etwas mager erschienen, besonders an der Kruppe, da sie wohl schon älter waren.
Futter für die Pferde
Eines von ihnen hat dann auch am letzten Tag "frei" gehabt. Die peruanischen Sättel mit den geschlossenen Steigbügeln fand ich sehr bequem. Die geflochtenen Trensen hatten zum Teil aufwändige Verzierungen, leider waren einige Gebisse sehr alt und teilweise mit scharfkantigen Haken am Zaumzeug befestigt.
 
So hatte mein Pferd dadurch irgendwann eine wunde Stelle am Maul, was aber bemerkt wurde. Auch, weil er ständig mit dem Kopf schlug. Das Gebiss wurde getauscht und noch eine Gummischeibe untergelegt, ich cremte es ab und zu ein. Die Zügel waren ebenfalls geflochten und recht steif. Sie haben ein langes Ende mit einer flachen Lederspitze, die auch als Peitsche verwendet wird. Mein Kumpan war ein kleiner Fuchs mit viel Weiß an den Beinen und einer Blesse. Er hieß Monedero und war noch recht jung. Anfangs liess ich ihn am langen Zügeln kraxeln, doch wenn wir schneller wurden, lief er mit etwas kürzerem Zügel besser und sehr weich im Paso Llano.
 
Efraim, unser zweiter Guide, hat mir unterwegs den Tipp gegeben. Wir sind gleich am Anfang an der Autostraße entlang geritten, die Pferde zuckten nicht mal. Auch nach der ersten kleinen lauten Brücke und einem steilen Fußpfad war mir klar, dass sie sehr trittsicher und brav sind. So weit ich es beurteilen kann, hatte keiner, selbst die eher unerfahrene Teilnehmerin, keine Probleme mit den Pferden. Auch untereinander waren sie, bis auf kleine Zickereien, brav. Nur einer der Wallache "verliebte" sich dann in die einzige Stute der Gruppe und suchte permanent deren Nähe und war auch eifersüchtig, sobald man sich ihr näherte. Aber das war eher witzig als dass es uns gestört hat. Wir sind sehr viel im Schritt geritten oder eben in höherem Tempo im Paso Llano. Es durfte nicht galoppiert werden. Das fand ich zwar etwas schade, aber das Gelände gab das auch kaum her. Wir sind viel über Bergpfade, Straßen und Kieswege geritten. Richtig vermisst habe ich es aber nicht. Zu schön war die Landschaft und das angenehme Gefühl beim Reiten.

Wege, Wetter und Landschaft
Unser Start ist im Urubamba Tal, besser bekannt als "Heiliges Tal" oder eben Sacred Valley. voll mit alten Inka-Stätten. Wir sind teilweise Straßen geritten, mitten durch Dörfer und über Marktplätze, aber auch auf Pfaden entlang großer Berge, am Abgrund entlang, oder auch über Äcker und landwirtschaftliche Felder. Besonders die Ausblicke in den Bergen waren fantastisch, aber auch die Einblicke in das dörfliche Leben, vorbei an Häusern aus handgemachten Lehm/Stroh-Ziegeln.
Auf dem Markt in Ollantaytambo
Zwar war es immer in den Bergen, aber ich fand es trotzdem abwechslungsreich. Von engen Tälern über Ebenen, staubige Felder, Seen oder auch ein grünes, ebenes Tal mit viel Landwirtschaft bis hin zu schroffen Bergen. Pausen an kleinen Bächen gehörten ebenso dazu wie am Morgen der Blick auf rotglühende Berge im Sonnenaufgang.
Leider hatte ich auch ein absolutes Horror-Erlebnis. Denn meine latente Höhenangst, über die ich sonst immer eher Witze mache, hat hier leider ihr ernstes Gesicht gezeigt. Wir sind mit den Pferden einen Bergpfad entlang, links ging es in den Abgrund. Irgendwann hatte ich leichten Schwindel, der durch die Bewegung des Pferdes unter mir noch verstärkt wurde. Bevor ich mich versah, war ich am hyperventilieren und schluchzen, ich hatte eine Panikattacke erster Güte. Gottseidank übertrug sich das nicht auf Monedero, denn ich konnte erst absteigen, als wir um eine Ecke kamen, wo rechts eine Wiese statt Fels war. Die Pferde waren unglaublich trittsicher.
 
Es gab auch Stellen wo wir abgestiegen sind und geführt haben, an einer Stelle war z.B. der Weg weggespült, die Pferde mussten da wirklich einen Sprung über Geröll machen. Das Wetter (Anfang November) war größtenteils gut. Meist warm, aber einmal hatten wir auf einer Hochebene einen Hagelschauer, abends kam auch mal kalter Wind auf. Da war ich dann froh, meine winddichte Regenjacke dabei zu haben.
Hier ein kleines Video, bei dem ein wenig sieht, wie der Paso Llano aussieht, allerdings gemäßigt:


Sehenswürdigkeiten
Wenn man nun schon durchs Heilige Tal reitet, gibt es auch viel zu sehen. Wir hatten das Glück, das Jaime, ein Guide, ebenfalls "mitgebucht" war. Er hat uns dann später auch zum Machu Picchu begleitet und weiß unheimlich viel über die Geschichte seines Landes - und bringt dies auch mit viel Leidenschaft rüber. Er ist nicht mit uns geritten, ploppte aber dann an bestimmten Stellen auf, um uns etwas zu zeigen. Teilweise weiss ich bis heute nicht, wie er dahin kam. Er hatte kein Auto, und ich weiss, dass er einmal zwei Stunden zu Fuß gegangen ist, um dort zu sein. Gleich am zweiten Tag ritten wir in ein Seitental, wo auch Bahnschienen langführten. Als wir direkt neben einer kleinen Müllkippe abstiegen und Jaime auftauchte, um uns etwas zu zeigen, war ich skeptisch. Wir sind dann kurz an den Schienen langgelaufen und dann den Berg hoch. Oben, in einer Felsnische, dann ein Inka-Altar, in der typischen, geradlinigen Form. Außer uns keine Touristen, muss ich sagen, dass es im Nachhinein fast meine Lieblingsstätte war. Unberührt, und dennoch haben vor 500 Jahren hier Menschen die Gottheiten angebetet, standen wahrscheinlich goldene Statuen auf dem Altar, der Blick in den Himmel.
In einer Mittagspause erklimmen wir oberhalb von unserem Küchenzelt eine Anhöhe zur Festung Pumamarca, von der nur noch einige wenige Mauern stehen. Der "Turm" war eigentlich ein Grab, indem die Verstorbenen in Fötus-Haltung beerdigt wurden. Die Festung hat die Form eines Pumas, wie Jaime uns begeistert erklärt, mit Kopf und Hinterteil. Es bietet sich zudem ein toller Blick ins Tal.
An einem der Tage lassen wir die Pferde zurück und erklimmen in einer schmalen Schlucht (Socma Valley) einen Weg, der zu einem schönen Wasserfall in üppigem Grün führt. Der Weg geht weiter nach oben bis zu einem alten, riesigen Fort. Ich gebe aber auf halber Strecke auf und nehme einen anderen Pfad zurück ins Tal, wo die Pferde und zwei andere aus der Gruppe warten. Die Höhenluft lässt solche Touren zu echter Anstrengung werden. Aber auch dies war eine echt tolle Erfahrung, abseits jeglicher Touristenmassen, und auch die Bilder vom Fort oben von meinen Mitreisenden waren beeindruckend.
Unsere Nacht im Hostal verbrachten wir im Dorf Chinchero auf 3700 Meter Höhe. Direkt neben unserem Hostal waren mehrere "Textile Center", wo gezeigt wird, wie Wolle gefärbt, gesponnen und gewebt wird. Die Frauen in traditioneller Kleidung (jede Region hat ihre eigene, auch immer mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen) erklären das in routiniertem English. Es kostet nichts, aber eine Spende, oder aber besser noch ein Einkauf von Produkten, wird eigentlich erwartet. Auch Lamas und Meerschweinchen, die wichtigsten Haustiere Perus, gibt es dort.
Unser Hostal in Chinchero
Nur einen kurzen Fußmarsch entfernt kommen wir ins historische Chinchero, was auch Eintritt kostet. Ähnlich wie Cusco wurde hier auf den Inca-Mauern das heutige Dorf gebaut und auch die Kirche. Neben dieser sieht man dann noch die typischen ursprünglichen Inca-Terrassen und Mauern. Es ist eine schöne Anlage, nur die sehr touristische "Verkaufsstraße" mit zu vielen Souvenirläden nervt etwas, aber das gehört hier dazu. In Ollantaytambo z.b. ist vor dem Fort ein ganzer Markplatz mit Souvenirs, ebenso in Aguas Calientes, dem Tor zum Machu Picchu.
Inka-Terrassen in Chinchero
Völlig ohne andere Touristen erleben wir eine weitere Sehenswürdigkeit - Moray. Das liegt aber daran, dass wir dort am Abend "einreiten", in der Dämmerung, eigentlich ist schon geschlossen. Der Wächter winkt uns durch, wir binden die Pferde am Zaun des leeren Parkplatzes an und schauen kurz von oben in die kreisförmige Terrassen, die sich, fast wie ein außerirdischer Landeplatz, in die Tiefe schrauben. Die Incas haben dort experimentiert, mit Pflanzenanbau - denn je nach Höhe herrschen z.B. auch unterschiedliche Temperaturen.
Ganz andere Terrassen entdecken wir am letzten Reittag: Die weißen Salzterrassen von Maras. Wir reiten bis zum oberen Eingang, laufen dann mit Jaime die Terrassen entlang und balancieren auf den schmalen Rändern. Die Terrassen gehören verschiedenen Familien, die als Kooperative das Salz, welches aus einer salzhaltigen Wasserquelle stammt, verkauft.
Als wir am letzten Tag nach einem Mittagessen in Jacquis Wohnzimmer, wo sie sich gerührt bei uns bedankt, die Ranch und die Pferde und auch die Menschen verlassen, bin ich wehmütig und dankbar. Es war wieder mal eine ganz andere Reittour, bei der aber wie immer Logistik und Versorgung 1a waren und neben einer Portion Abenteuer dieses Mal auch viel Kultur dabei war.


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