Neulich hatten wir im Büro ein Gespräch über mögliche Selbsterfahrungstrips. Eine Kollegin meinte, mal eine Woche in einem Cottage ohne Strom und Wasser zu verbringen, sei bestimmt spannend. Andere riefen gleich aus: „Wie, eine Woche nicht duschen? Und kein Licht? Oh neee“. Ich musste still vor mich hingrinsen und meinte nur: „Och, so sehen meine Urlaube fast immer aus.“
Und ich erklärte, dass es beim Trailreiten oft eben auch keine Duschen oder Elektrizität gibt. Wenn man aber bedenkt, dass eine Woche Trailreiten mehr kostet als eine Woche Wellness-Hotel mit vier Sternen, ist es manchmal schwer, andere davon zu überzeugen, dass das ein toller Urlaub ist – und deshalb mache ich mich auch oft allein auf den Weg, treffe dann aber dort auf Gleichgesinnte, die genau so verrückt sind. Doch was ist denn nun das Tolle an dieser Art Urlaub? Ich kann nur versuchen, zu beschreiben, was ich dabei erlebe und empfinde, um diese Begeisterung Euch vielleicht näher zu bringen. Zum einen ist es für mich unglaublich wichtig, Natur und Tiere um mich rum zu haben. Das tut der Seele gut, ist wunderschön und erdet. Reiten ist – mit Unterbrechungen – mein Hobby seit Kindertagen. Im Sattel sitzen für mehrere Stunden am Tag ist daher für mich die schönste Art, meine Freizeit zu gestalten. Bei einem Trail heisst das bis zu 5-6 Stunden. Zugegeben: Manchmal bekomme ich da auch noch Muskelkater. Und eine falsch sitzende Hose hat mir in Island eine schmerzhafte Wunde ins Bein gescheuert, was zur Folge hatte, dass ich mit abgespreiztem Knie reiten musste – was völlig falsch ist. Reiten ist Sport, und auch wenn Trailreiten weniger anstrengend ist als eine Dressurstunde, kommt man dabei an seine körperlichen Grenzen. Besonders, da man dem Wetter, egal ob Kälte oder Hitze, Wind und Regen, relativ schutzlos ausgeliefert ist. In der Mittagspause liege ich meist nur irgendwo rum, zur Not auf dem Boden, und döse. Auf Steinen, an Bäume gelehnt, im Gras.
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Namibia, Erongo-Trail 2013 |
Doch diese Erleben der Elemente und zu spüren, wie man an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommt, das ist auch das Tolle. Raus aus der Komfortzone, dem Büroalltag, dem Sitzen und Faulenzen. Wer wandert, kennt dieses Gefühl bestimmt, am Ende des Tages erschöpft, aber glücklich am Ziel anzukommen, angenehm ausgepowert. Gewandert bin ich auch schon und gebe zu, das war mir teilweise zu anstrengend. Wandern zu Pferd ist da doch schon etwas angenehmer – und man kommt weiter!
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Wanderritt Burgwald, Nordhessen, 2011 |
Der Abend nach einem Trailtag ist dann immer von wohliger Ruhe erfüllt. Man hat Appetit vom langen Tag – mittags gibt es nur ein Satteltaschen-Picknick, oft nur ein Müsliriegel o.ä. – und freut sich über meist deftige, frisch zubereitete Kost. Bisher hatte ich immer wahnsinnig tolle Küchenfeen dabei, die unterwegs tolle Leckereien gezaubert hatten. Eine Meisterleistung an Organisation und Improvisation. So fehlte selbst im afrikanischen Busch die Sahne zu den Brownies nicht – auch wenn das Schlagen per Hand eine länger dauernde Gemeinschaftsarbeit wurde. Danach sitzt man am prasselnden Lagerfeuer, vielleicht mit einem kühlen Bier, oft mit einem tollen Sternenhimmel über sich.
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Indien, Mewar-Trail 2014 |
In der Nähe hört man ab und zu die Pferde schnauben, bevor man ins Zelt oder die Hütte und seinen Schlafsack kriecht und sofort einschläft – meist sehr früh. Denn mit dem Tageslicht erwacht auch schon wieder das Camp, und es wieder wird selbst in der Wildnis ein leckeres Frühstück gezaubert, bevor man die Pferde holt, putzt und sattelt (oder manchmal auch gesattelt vor die Nase gestellt bekommt).
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Erongo-Trail Namibia 2013, Frühstück |
Man sitzt auf, und wieder liegt ein Trailtag vor einem. Gehen wir ruhig im Schritt, bleibt Zeit, den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen oder zu fotografieren. Landschaften, Menschen und Tiere kommen einem näher als wenn man nur per Auto durchfährt.
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Island, Kjölur, Blick ins Tal der Diebe, 2010 |
Wird dann ein Galopp eingelegt, ist Adrenalin angesagt. Im leichten Sitz auf dem rasenden Pferd, der Wind treibt einem Tränen in die Augen, manchmal sind Freudentränen dabei, oft würde ich am liebsten schreien vor Glück. Das ist Freiheit, gleichzeitig Spaß und eine Einheit von Mensch und Tier Als Reiter faszinieren mich auch immer wieder die Pferde - brav, leistungsstark, ausdauernd, lauffreudig, unkompliziert, zäh. Auch wenn der Umgang manchmal etwas ruppiger ist als in Deutschland, die Haltung meist robust - solche Pferde liebe ich und frage mich, ob unsere Probleme mit spinnerten, schwierigen, krankheitsanfälligen und empfindlichen Pferden wirklich sein müssen - deswegen werde ich auch in diesem Leben kein Sportpferde- bzw. Turnierreiter.
So vergehen die Trailtage, folgen einem immer gleichen Rhythmus, ich muss mich um nichts kümmern, nur den Moment genießen. Dafür verzichte ich gern auch ein paar Tage auf eine Dusche – und übrigens: ein Bad im kalten Gebirgsbach oder auch nur ein nasser Waschlappen nach einem Tag mit brennender Sonne und Staub reichen aus, um sich sauberer und erfrischter zu fühlen als je zuvor.
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Island, Kjölur-Trail 2010 |
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