Mittwoch, 6. April 2016

Citytrip Berlin: Auf der Spur der Mauer

Es ist dunkel, ein enger Gang, Leitungen hoch oben an der Decke, eine alte Holztür mit einer Aufschrift in altdeutscher Schrift. Das Donnern der U-Bahn dicht neben uns, unsichtbar. Ich bin im Berliner Untergrund unterwegs. Mit einer Führung der Berliner Unterwelten.
Eingang zur Unterwelt
Am Morgen stand ich im Ticketpavillon am Bahnhof Gesundbrunnen, da man die Karten nicht im Voraus kaufen oder reservieren kann. Und entschied mich spontan für die Führung "Mauerdurchbrüche", die thematisch zu meinem diesmaligen Berlin-Trip passte. Andere Führungen konzentrieren sich auf den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg. Teilweise überschneiden sich die besuchten Gänge im unterirdischen Gewirr aus Bunkern, Schutzräumen, U-Bahn-Tunneln und Kellern.
Leider ist Fotografieren verboten, aber es wirkt sich positiv auf die Führung aus, da alle konzentriert bei der Sache sind, niemand mit Handy oder Kamera rumfummelt oder daher zurückbleibt. Die Gruppe ist relativ groß und bunt gemischt. Mit unserem Guide haben wir Glück. Ein Historiker, der für den Unterwelten-Verein arbeitet und wirklich gut erzählt und dem man gern zuhört. So erfahren wir in verschiedenen Schutzräumen, wie sich nach und nach die unterirdischen Fluchtwege von Ost nach West der geteilten Stadt änderten. Zunächst waren U-Bahn-Tunnel ein beliebter Weg, bis diese schließlich scharf bewacht und z.B. mit spitzen Gittern versehen wurden. Auch "durch die Scheisse in die Freiheit" war eine Möglichkeit: durch die Kanalisation. Doch auch hier wurde aufgerüstet, Gitter eingebaut. Wir erreichen durch unterirdische Wege, auch durch meterdicke Bunkerwände, vorbei an fluoreszierenden Wegmarkierungen, den U-Bahnhof und fahren bis Bernauer Straße - eine Station an der ehemaligen Grenze.

Hier geht es in einen Gewölbe-Keller einer ehemaligen Brauerei. Nachdem die bereits vorhandenen Wege immer schwieriger zu passieren waren, wurden einfach neue Tunnel gegraben. Nicht nur von Ost nach West, sondern auch umgekehrt - Fluchthilfe für Verwandte und Kommilitonen. Ein- und Ausstiege sollten möglichst versteckt in Privaträumen liegen, doch besonders die Ausstiege waren oft ungenau berechnet. So erfahren wir auch von gescheiterten Versuchen und dem enormen Aufwand. Es ist eine spannende Führung, die durch die Atmosphäre unten noch eindrucksvoller lebt, auch wenn wir nicht durch Original-Fluchttunnel kriechen. Gerade an der Bernauer Straße wurde viel gegraben, da hier der Grundwasserspiegel für Berliner Verhältnisse tief war und die Tunnel nicht direkt unter der Erdoberfläche verlaufen mussten, somit also nicht so leicht entdeckt werden konnten. Nach Ende der Führung stehe ich also im sonnigen Tageslicht und sehe mir dort die Metallplatten im Boden nun mit anderen Augen an. Hier, an der Gedenkstätte für die Berliner Mauer, markieren sie die Fluchttunnel. An der Hauswand über mir ein Gemälde des berühmten Sprunges des Soldaten über den Stacheldraht. Metallstelen markieren hier auch dreidimensional den Verlauf der Mauer. Überall in der Stadt sind übrigens im Boden Messingplatten eingelassen oder eine Linie markiert den Verlauf der Mauer.
 
 
 
Ich folge den Metallstelen, vorbei an der Kirche der Versöhnung zu einem "echten" Mauerstreifen mit Wachturm. Gegenüber bietet eine Ausstellung weitere Informationen und eine Plattform einen Überblick über die innerdeutsche Grenzanlage, die ja eigentlich aus zwei Mauern mit einem "Todesstreifen" dazwischen bestand. In der Ferne reckt sich der Telespargel in den Himmel, im ehemaligen Osten am Alexanderplatz. Ich beschliesse, mich noch einem weiteren Stück Mauer zu widmen, etwas anders als die hier so nüchtern errichtete Gedenkstätte, die trotzdem, gerade wenn man die Geschichten der geteilten Familien im Hinterkopf hat, eindrucksvoll hat.
Mit der Straßenbahn geht es langsam, aber dafür mit schönen Eindrücken - immer wieder taucht am Ende langer Straßen der Telespargelauf – vorbei an tollen Hausfassaden, bis zum Bahnhof Warschauer Straße. Hier lockt nicht nur die hübsche rote Oberbaumbrücke mit ihren Türmen und Bögen die Touristen.
Direkt daneben beginnt die East Side Gallery. Dieses ca. einen Kilometer langen Stück der Mauer ist bunt, bunter am buntesten. Künstlerisch wertvoll vielleicht nicht unbedingt, aber witzig auf jeden Fall. Zudem tummeln sich hier auch ein paar schräge Gestalten, z.B. ein Straßenmusiker mit nacktem Oberkörper und Pferdekopf-Maske, Hütchenspieler, und natürlich Touristen aus aller Welt. Daneben fließt die Spree, die Wiese lädt zur Pause ein. Neben der Mauer werden Touren mit Trabis angeboten.
Leider sind auf der Mauerseite zur Straße hin Schutzgitter aufgestellt. Sie sollen die Mauer und einige berühmte Bilder vor Vandalismus schützen, sind aber natürlich störend beim Versuch, ein Erinnerungsfoto zu schießen.
Ich habe die Wende als Kind miterlebt, aber richtig vorstellen kann man sich so eine geteilte Stadt nicht wirklich. Es ist gut, dass an die Geschichte erinnert wird, aber es zeigt auch, wie wundervoll die Wende war. So bunt wie die East Side Gallery ist das heutige Berlin, und das ist auch gut so.

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